Die Zeitzeugin Frau Dr. Michaela Vidláková im Otto-Reiffenrath-Haus

Frau Dr. Michaela Vidláková

In diesen Tagen wurde vielerorts der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau vor 75 Jahren gedacht. Auch in Neunkirchen wollte der SPD-Gemeindeverband im Kontakt mit der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit mit der Einladung der Zeitzeugin Dr. Michaela Vidláková an diese Zeit erinnern.

Der Saal des Otto-Reiffenrath-Hauses war bis auf den letzten Platz besetzt, als Dr. Michaela Vidláková begann die Geschichte ihrer Kindheit zu erzählen. Sie erzählte von 2 glücklichen Jahren in ihrer Geburtsstadt Prag und von den dann beginnenden Einschränkungen im täglichen Leben, der Ausgrenzung und Verfolgung, denen Juden nach der Annexion des Sudetenlandes und der „Rest-Tschechei“ 1939/40 durch die deutsche Wehrmacht und die Nürnberger Gesetze ausgesetzt waren. 1942 wurde sie mit ihren Eltern ins Ghetto Theresienstadt deportiert, einer ehemaligen Garnisonsstadt, die dann als Durchgangslager für den Weitertransport von Menschen aus ganz Europa in die Vernichtungslager diente. Da ihr Vater auf der Suche nach einer Arbeit, um seine kleine Familie zu ernähren, Erfahrungen als Zimmermann machen konnte, sicherte das zunächst den Verbleib in Theresienstadt, da er zur Errichtung von Erweiterungsbauten zur Unterbringung der zu dieser Zeit 60.000 deportierten Juden in dieser viel zu kleinen Stadt benötigt wurde.

Sie erzählte, wie sie wegen der schlechten Lebensbedingungen dort – Mangel an Nahrung, Medizin, Hygiene – an Scharlach, an Typhus und Masern erkrankte und in eine Krankenstation eingeliefert wurde, die jedoch ebenfalls keine Medizin verabreichen konnte, da keine vorhanden war. Sie verbrachte dort fast ein Jahr, da sie später zusätzlich auch noch an Gelbsucht und Herzmuskelentzündung litt.

Aber sie erwähnte auch, welches Glück sie und ihre Familie hatten, als ihr Vater im Oktober 1944 vom schon angekündigten Transport (dem letzten) nach Auschwitz wieder abgezogen wurde, da er für eine dringende Dachreparatur im Ghetto benötigt wurde. Dieser Zufall rettete ihr und ihren Eltern das Leben.

Nach der Befreiung durch die Rote Armee kehrte die Familie nach Prag zurück. Dort studierte Dr. Michaela Vidláková  Biologie und Chemie.

„Schluck runter die Tränen, verbeiß deinen Schmerz,
hör nicht auf das Schimpfen und Schmähen!
Dein Wille jedoch sei hart wie das Erz,
die Not zu überstehen.

Denn alles wird gut, denn alles wird gut,
ertrag geduldig das Warten.
Vertraue der Zukunft, verlier nicht den Mut,
die Welt wird wieder zum Garten!

Dann endet die Zwietracht, der Haß und die Gier,
und alles Leid hat ein Ende.
Dann sagt dein Feind »Bruder Mensch« zu dir
und reicht beschämt dir die Hände.

Denn alles wird gut, denn alles wird gut,
ertrag geduldig das Warten.
Vertraue der Zukunft, verlier nicht den Mut,
die Welt wird wieder zum Garten!“

Mit diesen ersten Strophen des Gedichts „Emigrantenlied“, von Ilse Weber, und der Aufforderung an die Zuhörer, sich nicht nur zu erinnern, sondern auch etwas zu tun, beendete die Zeitzeugin Dr. Michaela Vidláková die Schilderung der Erinnerungen an ihre Kindheit vor einem zunächst betroffen schweigenden Publikum.